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Image: NASA Earth Observatory, Jesse Allen and Robert Simmonmore

Nicht greifbar genug – Scheiterte das CO2-Gesetz an den Tücken der Klimakommunikation?

ProClim Flash 75

Eine knappe Mehrheit lehnte im Juni 2021 das CO2-Gesetz ab. Die Gründe für die Ablehnung können unter anderem mit Erkenntnissen der Klimakommunikation erklärt werden.

Plakat zur Abstimmung über das CO2-Gesetz: Mit welchen positiven Zukunftsbildern hätte das JA-Komitee die Bevölkerung für den Klimaschutz gewinnen können? Antworten auf solche Fragen will man am dritten K3 Kongress im September 2022 in Zürich finden. Grafik: Agentur pluswert
Image: Agentur pluswert

Text: , ProClim

Im September 2022 findet der K3 Kongress zu Klimakommunikation zum ersten Mal in der Schweiz statt. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der letzten beiden K3 Kongresse zu Klimakommunikation in Salzburg (2017) und Karlsruhe (2019)?

  • Personen erreicht man mit Geschichten besser, als mit reinen Fakten.
  • Über Empathie und Emotionen wird Betroffenheit ausgelöst.
  • Positive Zukunftsbilder ermöglichen lösungsorientiertes Handeln.
  • Mit räumlich, zeitlich und persönlich naheliegenden Beispielen werden die Folgen des Klimawandels greifbar.

Am 14. und 15. September 2022 findet in Zürich die dritte Ausgabe des Kongresses statt. Ist ein solcher Kongress überhaupt noch nötig? Reichen die oben genannten Erkenntnisse nicht aus, um eine wirkungsvolle Klimakommunikation zu gewährleisten? Leider Nein. Anhand konkreter Beispiele zeigt sich schnell, dass der Klimawandel ein besonders vielschichtiges Problem ist und er uns weiterhin stark fordert.1

Dies machte etwa die eidgenössische Abstimmung über das CO2-Gesetz vom Juni 2021 einmal mehr deutlich. 51,4 Prozent der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lehnten die Vorlage ab. Im Nein-Lager war insbesondere das Kostenargument ausschlaggebend. Teurere Flugtickets oder höhere Benzinpreise veranlassten viele Personen, ein Nein in die Urne zu legen.2 Eine Mehrheit von ihnen war der Meinung, dass «ein Schweizer Alleingang nichts nütze und [das neue Gesetz] dem Gewerbe und der Bevölkerung schade».3

Hat es die Ja-Kampagne versäumt, die oben genannten Merkmale einer guten Klimakommunikation anzuwenden? Sicherlich führten mehrere Gründe dazu, dass das Gesetz an der Urne Schiffbruch erlitt – so mobilisierten etwa die beiden Agrarinitiativen zahlreiche Personen, die den Behörden, der Klimaforschung und den Umweltverbänden gegenüber eher kritisch eingestellt sind.4 Zudem war der Zeitpunkt ungünstig. Eine Abstimmung nach dem von Wetterextremen gezeichneten Sommer wäre möglicherweise anders ausgefallen.

Dennoch finden sich auch andere Gründe für die Ablehnung des Gesetzes. Der Gesetzesentwurf war leicht angreifbar. Die Gegenseite konnte mit konkreten Auswirkungen des CO2-Gesetzes wie etwa dem höheren Benzinpreis argumentieren. Gekonnt wurde damit der Fokus von grösseren Fragen – wie etwa der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, längerfristigen Folgekosten des Klimawandels oder der internationalen Verantwortung der Schweiz bezüglich des Pariser Klimaabkommens – auf eine persönliche Ebene gelenkt.

Warum das Gesetz scheiterte

«Der Klimawandel betrifft mich nicht! Doch nicht hier! Das ist ein Problem der Zukunft!» – so mögen viele zur Zeit der Abstimmung gedacht haben und Nein zum Gesetz gestimmt haben. Bei den wenigsten löste die Abstimmungsfrage emotionale Betroffenheit aus: Ob «Rückverteilung der Lenkungsabgaben» oder «Klimafonds» – Gesetzesänderungen sind oft technischer Natur.

Der Klimawandel bleibt diffus und für wenige fassbar. Das CO2-Gesetz scheiterte somit an den Hürden, welche die Klimakommunikation zu überwinden versucht. Schliesslich erschienen die im CO2-Gesetz verankerten Massnahmen nicht als dringlich.

Damit sind wir wieder bei den eingangs genannten Punkten für wirkungsvolle Klimakommunikation. Mit welchen Geschichten hätte eine Autofahrerin oder ein Autofahrer überzeugt werden können, höhere Benzinkosten in Kauf zu nehmen? War unklar, dass die meisten über die Lenkungsabgaben finanziell profitiert hätten? Laut der Nachbefragung zur Abstimmung zählten der Umweltschutz («dringend handeln»), politische Gründe («lieber kleine Schritte als gar keine») sowie die Sorge um die nächste Generation zu den überzeugendsten drei Argumenten der Befürworterinnen und Befürworter.

Diese Themen sollten doch genügend Stoff für eingängige Geschichten bieten. Die Ja-Stimmenden nahmen höhere Benzinpreise in Kauf. Wohl nicht nur wegen den Lenkungsabgaben. Sie wollten ihren Grosskindern ein Sommerlager ohne regelmässige Hagelstürme und Überschwemmungen ermöglichen. Diese sollten in einer begrünten Stadt aufwachsen oder in einem Dorf, das auch spätabends mit dem Bus erreichbar ist. Sie stimmten Ja, weil das CO2-Gesetz ein erster Schritt in eine positive Zukunft darstellte.

Klingt das alles zu pathetisch? Womöglich schon. Die richtige Kommunikation ist herausfordernd. Und dafür braucht es den K3 Kongress zu Klimakommunikation. Es gibt kein Standardrezept für positive Zukunftsbilder. Deshalb lohnt sich hier eine vertiefte Auseinandersetzung, wie möglichst konkrete Beispiele in verschiedenen Bereichen entstehen können. Zudem werden am Kongress auch weitere Aspekte neu ausgeleuchtet. Mit spannenden Keynote-Vorträgen, innovativen Debattenformaten sowie einer Vielzahl an Workshops ist der Kongress ein idealer Anlass, um einen Überblick über den internationalen Stand der Forschung zu Klimakommunikation zu erhalten. Das inter- und transdisziplinäre Publikum ermöglicht wichtige Vernetzungen und behandelt aktuelle Fragen. Wie schaffen wir positive Zukunftsbilder? Wie können die verschiedenen gesellschaftlichen Interessensgruppen wie etwa die Wirtschaft in einen gemeinsamen Diskurs eingebunden werden? Wie kann man kommunizieren, dass eine klimaneutrale Welt eine lebenswertere Welt ist? Einerseits bieten die genannten Erkenntnisse und weitere Forschungsergebnisse der Klimakommunikationscommunity bereits ein wichtiges Rüstzeug für wirkungsvolle Kommunikation. Andererseits bleibt die Kommunikation, wie hier am konkreten Beispiel des CO2-Gesetzes gezeigt, herausfordernd.

Referenzen

1klimafakten.de (2021) Über Klima sprechen. Das Handbuch. Kapitel 1: Mach Dir klar, was bisher schiefgelaufen ist. (04.11.2021)

2,3,4gfs.bern (2021) VOX-Analyse Juni 2021. Nachbefragung und Analyse zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 13. Juni 2021. S. 5, 50–54. (29.09.2021)

Plakat zur Abstimmung über das CO2-Gesetz: Mit welchen positiven Zukunftsbildern hätte das JA-Komitee die Bevölkerung für den Klimaschutz gewinnen können? Antworten auf solche Fragen will man am dritten K3 Kongress im September 2022 in Zürich finden. Grafik: Agentur pluswert
Plakat zur Abstimmung über das CO2-Gesetz: Mit welchen positiven Zukunftsbildern hätte das JA-Komitee die Bevölkerung für den Klimaschutz gewinnen können? Antworten auf solche Fragen will man am dritten K3 Kongress im September 2022 in Zürich finden. Grafik: Agentur pluswertImage: Agentur pluswert

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