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Geoengineering als ethische Herausforderung

ProClim Flash 69

Ivo Wallimann-Helmer, Assistenzprofessor für Environmental Humanities, Universität Freiburg

Geoengineering als ethische Herausforderung
Bild: ProClim

Geoengineering – die technische Manipulation des Klimas – muss mit hoher Wahrscheinlichkeit schon bald im grossen Stil Wirklichkeit werden. Denn zwei Drittel der wissenschaftlichen Analysen, die das Einhalten der 2-Grad-Leitplanke globaler Erwärmung des Klimasystems für möglich halten, gehen davon aus, dass unsere globale Wirtschaft noch in diesem Jahrhundert emissionsneutral funktioniert. Das scheint weder in der breiten Öffentlichkeit noch in der Politik hinlänglich bekannt zu sein.

Der Mensch kann ohne Emissionen nicht leben. Unsere Wirtschaft wird kaum gänzlich ohne Emissionen funktionieren. Klimamodelle nehmen deshalb häufig an, dass Emissionen technisch oder biologisch aus der Atmosphäre oder direkt bei deren Produktion entfernt werden. Diese Methoden der sogenannten negativen Emissionen (Carbon Dioxide Removal) sehen unter anderem vor, CO2 zu verflüssigen oder zu mineralisieren und dann zu deponieren. Andere Massnahmen sehen vor, die Sonneneinstrahlung zu regulieren (Solar Radiation Management), um so die Klimaänderungen und ihre Folgen abzuschwächen. Beide Arten von Technologien führen zu einer Reihe von ethischen Herausforderungen.

Neue Formen der politischen Beteiligung sind nötig

Verflüssigtes CO2 kann nur in geologisch geeigneten Gesteinsschichten oder in der Tiefsee gelagert werden. Viele Untersuchungen zeigen zwar, dass diese Lagerung relativ sicher ist. Wie bei der Abfallentsorgung ist aber zu befürchten, dass benachteiligte Gesellschaftsschichten unfairerweise sowohl durch den Betrieb dieser Lagerstätten als auch im Falle eines Lecks stärker belastet werden. Darüber hinaus benötigen einige dieser Technologien viel Wasser und fruchtbaren Boden. Das führt zu Konflikten mit der Nahrungsmittelversorgung. All dies spricht dafür, potenziell Betroffene an Entscheidungen über die Platzierung von Lagerungsstätten genauso zu beteiligen wie an Prozessen zur Entschädigung für erhöhte Belastungen. Solche Forderungen bedingen neue Formen der politischen Beteiligung, die bestehende Grenzen der Mitbestimmung aufweichen. Gleichzeitig kann der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre mit technischen Mitteln kaum ausreichend schnell hochgefahren werden. Eine Veränderung unseres Emissionsverhaltens ist deshalb trotz ethischer Konflikte auch in diesem Bereich der Klimapolitik nach wie vor die zentrale Massnahme.

Eine riskante ethische Entscheidung

Nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen und auf eine technische Lösung zu hoffen, ist auch eine ethische Entscheidung, allerdings eine riskante. Nicht nur die Technologien der negativen Emissionen, sondern auch Massnahmen zur Regulierung der Sonneneinstrahlung stecken in ihrer Entwicklung meist noch in den Kinderschuhen. Die Injektion von Aerosolen zur Erhöhung der Reflexionskapazität der Atmosphäre zum Beispiel wurde noch nie grossformatig getestet und kann ungeahnte Effekte auf unser Klima haben. Auch weniger riskante Möglichkeiten mit demselben Ziel, wie das Bemalen von Dächern mit weisser Farbe, wurden kaum ausreichend getestet, so dass auf diese statt auf Emissionsminderung gesetzt werden könnte. Setzen wir allerdings auf Geoengineering und schreitet dessen Entwicklung nicht genug schnell voran, dann belasten wir vor allem unsere Nachfahren. Wir verlagern unsere heutigen Probleme unzulässigerweise in die Zukunft. Das ist die Schwierigkeit mit Geoengineering. Wir brauchen es, um unsere Pflichten gegenüber der Zukunft einzuhalten, verursachen damit aber zwangsläufig neue und ethische Konflikte.

Ivo Wallimann-Helmer

Assistenzprofessor für Environmental Humanities, Universität Freiburg

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